Als „hochnot-peinlich" hat der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, die Ankündigung der Deutschen Bahn bezeichnet, den Hauptbahnhof in Mainz in den nächsten Tagen des abends nur noch eingeschränkt bedienen zu können. „Dass ein nicht vorhersehbarer hoher Krankenstand im örtlichen Stellwerk Grund dafür ist, weniger Züge fahren zu lassen, ist nur eine Ausrede", stellte Kirchner fest. Tatsächlich wären gravierende Personalprobleme die Ursache. Mainz sei dabei kein Einzelfall. Auch in anderen Regionen habe der Zugverkehr wegen Personalunterbestands bereits eingeschränkt werden müssen.
Auf entsprechende Beeinträchtigungen müssen sich Reisende in nächster Zeit wohl öfter einstellen. "Die Personaldecke ist mittlerweile so knapp, dass es künftig auch auf anderen Strecken immer wieder mal zu Zugausfällen aufgrund von Personalmangel kommen kann", machte der Vorsitzende der EVG deutlich. Dem Bahnvorstand warf er vor, die Augen vor dieser nicht hinnehmbaren Entwicklung aus Kostengründen verschlossen zu haben.
Schon seit Jahren würden die Betriebsräte der EVG permanent darauf hinweisen, dass es viel zu wenig Fahrdienstleister gebe. „Nach unseren Schätzungen fehlen bundesweit gut 1.000 Mitarbeiter in diesem Bereich", machte Alexander Kirchner deutlich. In der Folge seien zwischenzeitlich gut eine Millionen Überstunden aufgelaufen, die nicht abgebaut werden könnten. Das habe unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Kolleginnen und Kollegen: die Belastungen der Beschäftigten hätten in unerträglichem Maße zugenommen, krankheitsbedingte Ausfälle seien da absehbar. Dies gelte im übrigen auch für andere Bereiche bei der Bahn. Es fehlt an allen Ecken und Kanten an Personal, nicht nur bei den Fahrdienstleitern, machte Kirchner deutlich.
„Die EVG hat den Bahnvorstand immer wieder aufgefordert, die Personalplanung dem tatsächlichen Bedarf anzupassen, statt sich vom vorgegebenen Budget treiben zu lassen", machte der Vorsitzende der größten Eisenbahngewerkschaft in Deutschland deutlich. Dass man diese berechtigten Forderungen der EVG über Jahre hinweg ignoriert und zudem nicht frühzeitig für ausreichend Nachwuchs gesorgt habe, räche sich jetzt bitter.
Zwischenzeitlich habe sich auch die Bundesnetzagentur eingeschaltet, da die jetzt in Mainz offenkundig gewordenen Einschränkungen im Bahnbetrieb kein Einzelfall seien. „Das zeigt die ganze Dramatik, die durch das Fehlen von Fahrdienstleitern auf den Stellwerken verursacht wird und wir als EVG sind nicht bereit, das hinzunehmen" machte Kirchner deutlich.
„Auch wenn es keine schnellen Lösungen geben wird, fordern wir den Bahnvorstand doch mit Nachdruck auf, umgehend ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, dass deutlich macht, wie diese Misere so schnell wie möglich behoben werden kann", stellte der EVG-Vorsitzende fest.
Gleichzeitig forderte der Vorsitzende der größten Eisenbahngewerkschaft in Deutschland eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten ein. Immer wieder würden Unternehmen Forderungen von Arbeitnehmervertretern ignorieren, belegbare Missstände zu beseitigen. Die Zeche dafür zahlten die Mitarbeiter und die Kunden – wie jetzt am Beispiel der Fahrdienstleiter wieder einmal deutlich werde. "Es sei an der Zeit, dass die Politik hier Veränderungen vornimmt – auch die werden wir als EVG vorantreiben", so Alexander Kirchner.