"Die Einnahmen des Bundes im Verkehrssektor übersteigen den Finanzbedarf für Ausbau und Sanierung um ein Vielfaches. Trotzdem klafft nach wie vor eine Investitionslücke in Milliardenhöhe", erklärte Dr. Frank Stieler, Vorstandsvorsitzender HOCHTIEF Aktiengesellschaft und Mitglied des Präsidiums Deutsches Verkehrsforum auf dem Parlamentarischen Abend des Wirtschaftsverbandes. "Wir brauchen nicht nur mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur, sondern auch mehr Flexibilität in der Verwaltung. Sie muss den vorhandenen Ordnungsrahmen besser nutzen, um etwa Öffentlich-Private-Partnerschaften im Verkehrsbau zu fördern. Dadurch können Projekte schneller und kostengünstiger umgesetzt werden." Auch müsse der Bund das knappe Geld zunächst in die Projekte investieren, die den größten Nutzen für das Gesamtnetz brächten.
Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung verwies auf das Grundproblem des begrenzten Finanzrahmens. Zukünftig müsse mehr Geld beispielsweise über Nutzerfinanzierung eingeworben werden. Jedoch seien schon sehr erfolgreiche Reformen umgesetzt worden, zum Beispiel die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bei der Schiene. Danach würden die Finanzmittel fünf Jahre lang für Schienenwege eingesetzt und so ein überjähriger Planungs- und Realisierungszeitraum ermöglicht. Der Staatssekretär nannte zudem die Zweckbindung der Lkw-Maut als weiteren Reformerfolg, wonach die Maut-Einnahmen wieder in die Straße investiert würden. Das Bundesverkehrsministerium habe den Investitionsrahmenplan neu aufgesetzt und finanziere nun vor allem in Erhaltungsmaßnahmen und in die Fertigstellung begonnener Projekte.
Für das Finanzressort Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, sei die Konsolidierung der Staatsfinanzen oberstes Gebot, dennoch: "Es ist ein großer Erfolg, dass die Mittel für den Verkehrshaushalt unter dem Konsolidierungszwang nicht gekürzt wurden. Diese Line wollen wir auch zukünftig beibehalten. Um für nachhaltiges Wachstum zu sorgen, setzt die Bundesregierung auch weiter gezielt auf Investitionen in die Infrastruktur. Eine Zweckbindung von Steuern ist aber nicht geplant."
1.500 km an Bundesfernstraßen müssten aus- und neugebaut werden, um das prognostizierte Verkehrswachstum abzufangen, erklärte Ulrich Klaus Becker Vizepräsident für Verkehr des ADAC und Mitglied des Präsidiums Deutsches Verkehrsforum. Mittlerweile seien 15 Prozent der Brücken so marode, dass sie sofort saniert werden müssten. "Die Mittel, die für die Erhaltung der Straßeninfrastruktur erforderlich sind, werden nicht ausreichend zur Verfügung gestellt. Der Verschleiß der Straßen schreitet voran. In Aus- und Neubau wird zu wenig investiert. Die Folge ist, dass Verkehrsströme abwandern, was negativ für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Der Autofahrer finanziert durch die Mineralölsteuer unsere Verkehrswege - es gibt also heute bereits eine Nutzerfinanzierung. Laut einer Untersuchung zahlt der Autofahrer schon jetzt das vierfache der tatsächlichen Wegekosten.", so Becker weiter.
Die von Staatssekretär Scheurle vorgetragenen Reformen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bewertete Dr. Volker Kefer, Vorstand Technik, Systemverbund und Dienstleistungen und Vorstand Infrastruktur, Deutsche Bahn AG, positiv, mahnte aber an, dass die Projekte zu lange dauerten: "Wir müssen die Verfahren bei Bürgerbeteiligungen und Planungsverfahren noch effizienter gestalten - sie dauern zu lange und verursachen zusätzliche Kosten. Zudem sind Planungssicherheit und Rechtssicherheit für Großprojekte unabdingbar. Alle Beteiligten eines Projektes, Bund, Bahn, Industrie und Genehmigungsbehörden sind dabei gefordert, an einem Strang zu ziehen."
Dem stimmte auch Christoph Blume, Sprecher der Geschäftsführung Flughafen Düsseldorf GmbH, zu: "Im Luftverkehr werden wir zukünftig große Steigerungen bei den Passagierzahlen haben, die bewältigt werden müssen. Wir benötigen daher Planfeststellungsverfahren, die zeitlich überschaubar sind. Unerlässlich ist eine möglichst frühzeitige Bürgerbeteiligung. Um eine zeitnahe Bearbeitung solcher aufwendiger Verfahren sicherzustellen sind auch die Planfeststellungsbehörden entsprechend personell auszustatten. Voraussetzung für erfolgreiche Planfeststellung ist natürlich eine qualifizierte Planung einschließlich der erforderlichen Gutachten und Nachweise."
Zur Verwendung der knappen Finanzmittel sagte Dr. Gunther Jaegers, Geschäftsführer Reederei Jaegers GmbH: "Das Bundesverkehrsministerium muss bei Erhalt und Ausbau der Flüsse und Kanäle Prioritäten setzen, denn die Mittel reichen nicht aus, um sämtliche Maßnahmen zu finanzieren. Wie prekär die Situation ist, konnte in den vergangenen vier Wochen beobachtet werden: die Mosel kann wegen leerer Kassen nicht weiter ausgebaut werden, obwohl sie mit Rhein und Main beim Bundesverkehrministerium in der höchsten Prioritätenstufe angesiedelt ist. Als Unternehmer könnte ich mir eine Beteiligung an Nutzerfinanzierung vorstellen, wenn alle Nutzer adäquat einbezogen werden, wie etwa die Seeschifffahrt bei den seewärtigen Zufahrten auf Unterelbe und Unterweser. Eine europäische Gesamtlösung ist hier wegen multilateraler Verträge unabdingbar."