Der nun veröffentlichte Qualitätsbericht SPNV Nordrhein-Westfalen 2011 fasst auf 70 Seiten erstmalig die bislang getrennt voneinander erstellten Berichte zur Betriebs- und Infrastruktur-qualität in Nordrhein-Westfalen in einem landesweiten Bericht zusammen. Der Bericht, in dem auch zahlreiche Vertreter der Branche zu Wort kommen, wurde im Auftrag des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW erstellt; Herausgeber ist das KompetenzCenter Integraler Taktfahrplan NRW mit Sitz in Bielefeld.

„Mit dem Bericht legen wir eine umfassende Analyse zum Zustand der Eisenbahninfrastruktur und zum Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs vor", so THOMAS BLOME vom Kompetenz-Center ITF NRW (KC ITF NRW) und Autor des Qualitätsberichtes. „Die Betriebsqualität im NRW-Zugnahverkehr ist im Jahr 2011 insgesamt als recht stabil zu werten", erläutert KAI SCHULTE, Projektmanager des KC ITF NRW, „allerdings lohnt sich ein genaueres Hinschauen: Dabei zeigt sich, dass vor allem Trassenkonflikte mit dem Fernverkehr und Infrastrukturengpässe zu Verspätungen führen. Positiv wirken sich der Einsatz moderner Fahrzeuge sowie das Anhängen weiterer Wagen bei stark ausgelasteten Fahrten aus."

Zum Bericht:
Die Darstellung der betrieblichen Qualitätskriterien erfolgt über die Verspätungs- und Zugaus-fallquoten aller Nahverkehrslinien in NRW. Zur Infrastrukturqualität wird sowohl der Zustand der Bahnstationen als auch des Schienennetzes analysiert. Außerdem beinhaltet der Bericht ne-ben Eckdaten zum nordrhein-westfälischen Leistungsangebot auch Angaben über die durch Ausschreibungsverfahren vergebenen SPNV-Netze. Ein Schwerpunktthema ist die Dokumentation der im SPNV eingesetzten Fahrzeuge. Außerdem wird die Infrastrukturnutzung einschließlich der Entwicklungen bei den Nutzungsentgelten thematisiert.

Wesentliche Aussagen des Berichtes im Überblick

Allgemeines zum Schienenpersonennahverkehr in NRW (2011):

  • Anzahl Eisenbahnverkehrsunternehmen 14
  • Anzahl Linien des Nahverkehrs 98
  • Länge Schienennetz 3.754 km
  • SPNV-Leistungsvolumen (Zugkilometer) 101 Mio. Zkm/a

Zur Qualität des Schienenpersonennahverkehrs

Verspätungen von Zügen

Erfreulich ist, dass sich die Verspätungsquoten der Nahverkehrlinien insgesamt positiv entwickelt haben. Hervorzuheben ist hier v. a. der S-Bahn-Verkehr: Der konsequente Einsatz spurtstarker Fahrzeuge (Baureihen 422 und 423) sowie betriebliche Optimierun-gen führen zu spürbaren Verbesserungen.

Die folgenden RE-Linien bleiben jedoch wie im Vorjahr die Linien mit den höchsten Verspätungsquoten:
o RE 7 (Rheine – Krefeld): 27,0%
o RE 5 (Emmerich – Koblenz): 25,6%
o RE 6 (Düsseldorf – Bielefeld): 25,6%
o RE 1 (Aachen – Paderborn): 25,5%.
Die Verspätungsursachen liegen hauptsächlich an den überwiegend langen Linienverläufen bei gleichzeitiger Nutzung von Trassen mit oftmals verspäteten Fernverkehrszügen.

Die fehlende Zulassung der für den Betrieb der Linie RE 9 (RSX) vorgesehenen Triebzüge des Typs E-TALENT 2 führte auf dem Laufweg von Aachen nach Siegen zu erheblichen Qualitätseinbußen (Verspätungsquote von 23,4%). Durch den notwendigen Einsatz der alten Doppelstockwagen konnte der ursprünglich konzipierte Fahrplan nicht eingehalten werden, was in Siegen häufig zu verpassten Anschlüssen in Richtung Frankfurt führte. Hinweis: Seit Juni 2012 bessert sich die Situation, da nun nach und nach die E-Talent 2 zum Einsatz kommen.

Die Linien RE 17 von Hagen nach Warburg/Kassel (11,6%) und RE 99 von Siegen nach Frankfurt (5,0% - nur geringer Streckenverlauf in NRW!) konnten die Pünktlichkeit um 12 bzw. 16 Prozentpunkte steigern!

Bei den RB-Linien waren folgende Linen besonders verspätungsanfällig:
o RB 76 (Minden – Rotenburg): 29,0% - Die Linie verkehrt nur am Wochenende auf einer Strecke, die häufig als Umleitungsroute bei Baustellen im Großraum Hannover genutzt wird – nur geringer Streckenverlauf in NRW!
o RB 24 (Kall - Köln Messe/Deutz): 25,8% - Probleme bei der Einfädelung in Hürth-Kalscheuren auf die stark frequentierte linke Rheinstrecke

Im S-Bahn-Verkehr an Rhein und Ruhr weisen folgende Linien zweistellige Verspätungsquoten auf:
o S 68 (Verstärkerlinie Langenfeld – Wuppertal-Vohwinkel):15,3%
o S 11 (Düsseldorf Flughafen – Bergisch Gladbach):12,1%
o S 6 (Köln – Essen): 11,8%

Extreme Witterungsverhältnisse wie heiße Sommermonate oder sehr kalte, schneerei-che Wintermonate blieben 2011 weitestgehend aus, was sich positiv auf die Verspätungs- und Zugausfallquoten ausgewirkt hat.

Die Großbaustelle zwischen Löhne und Hannover hatte von April bis August 2011 erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Betriebsqualität der Linien im Korridor Hamm – Bielefeld – Minden – Hannover/(Nienburg). In dieser Zeit musste der Fahrplan für den Nah- und Fernverkehr geändert werden.

Ausfall von Zügen

Die anteilig höchsten Zugausfälle bei den RE-Linien verzeichnen die Linien RE 99 von Siegen nach Frankfurt (13,1% - Bauarbeiten während der hessischen Sommerferien; nur geringer Streckenverlauf in NRW!) und RE 7 von Rheine nach Krefeld (6,2 % - u.a. wegen Lärmschutzarbeiten zwischen Holzwickede und Unna).

Eine Vielzahl von RB-Linien weist Zugausfallquoten zwischen zwei und vier Prozent in-folge von Bautätigkeiten auf. Die Linie RB 47 fällt aufgrund der teilweisen Sperrung der Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid mit 11,0% auf.

Die Zugausfallquote der S-Bahn-Linie S 68 (Verstärkerlinie Langenfeld – Wuppertal-Vohwinkel) stellt mit 6,1% nach wie vor die höchste Ausfallquote an Rhein und Ruhr dar. Bei Fahrzeug- oder Personalknappheit wird diese Verstärkerlinie mitunter geschwächt, um die Stabilität der Linie S 6 und S 8 zu gewährleisten.

Neben den baustellenbedingten – aber vorhersehbaren – Zugausfällen hat der bran-chenweite Mangel an Triebfahrzeugführern zu nicht vorhersehbaren Ausfällen geführt.

Durch das vorzeitige Wenden von Zügen wird die Übertragung von Verspätungen auf Folgezüge grundsätzlich verhindert. Gleichzeitig führt diese Maßnahme zu Teilausfällen von Zügen, wie die Zugausfallquoten der Linie RE 7 (Rheine – Krefeld) von 6,2% (Wende bereits in Köln oder Neuss) und der S-Bahn-Linie S 11 (Düsseldorf Flughafen – Bergisch Gladbach) von 3,6% (Wende bereits in Köln-Dellbrück) zeigen.

Zur Qualität der Infrastruktur

Die monatliche Auswertung der Langsamfahrstellen im nordrhein-westfälischen Schienennetz hat für das Jahr 2011 ergeben, dass sowohl Anzahl als auch Länge der Lang-samfahrstellen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen haben – aber immer noch unter den Ergebnissen von 2009 liegen. Neben einigen nach wie vor bestehenden dauerhaften Schwachstellen im Netz pendelt sich der Umfang an Langsamfahrstellen insgesamt auf niedrigem Niveau ein. Die seit Jahren bestehende Langsamfahrstelle am Rehbergtunnel verursacht einen täglichen Fahrzeitverlust von knapp 2 Stunden. Im Sommer 2013 wird der Tunnel saniert.

Die gewonnen Erkenntnisse der Qualitätsanalysen sind auch in die Arbeit des SPNV-Beirats NRW eingeflossen. Der Abschlussbericht beinhaltet einen Katalog mit insgesamt 63 kurzfristigen Maßnahmen zur Beseitigung vorhandener infrastruktureller Engpässe, welche die Leistungsfähigkeit sowohl der Haupt- und Nebenstrecken als auch der Knotenbahnhöfe spürbar erhöhen (Bericht unter www.kcitf-nrw.de abrufbar).

Die erstmals im Qualitätsbericht SPNV NRW dargestellte Qualität der Verkehrsstatio-nen basiert auf Erhebungen der SPNV-Aufgabenträger. Die Ergebnisse zeigen, dass bei rd. 20% der 424 untersuchten Stationen im Bereich des VRR und NWL qualitative Defizite festgestellt worden sind – sowohl in puncto Sauberkeit als auch bei festgestellten funktionalen Mängeln. Im Rahmen des Konjunkturprogramms I und II hat die DB Station & Service AG in den Jahren 2009 bis 2011 insgesamt 547 Maßnahmen an landes-weit 372 Stationen durchgeführt. Kernstück des DB-Programms waren 295 Maßnahmen zur Steigerung der Fahrgastinformationen (insbesondere Ausrüstung der Stationen mit Dynamischen Schriftanzeigern).

Die Aufgabenträger sehen sich mit einer seit Jahren andauernden Preissteigerung bei den Infrastrukturnutzungsentgelten konfrontiert. Der Anteil der Infrastrukturkosten an den Kosten zur Finanzierung des SPNV-Leistungsangebotes insgesamt liegt mittlerweile bei rd. 55 Prozent – Tendenz steigend. Daran haben auch die Entscheide der Bundesnetzagentur zum Stations- und Trassenpreissystem in der Vergangenheit nichts geändert.