Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Niilo Jääskinen, verkündete seinen Schlussantrag zur Fahrpreisentschädigung für Bahnreisende bei Verspätungen aufgrund höherer Gewalt. Seiner Ansicht nach muss Bahnreisenden bei großer Verspätung ein Teil des Fahrpreises erstattet werden, auch wenn die Verspätung auf höherer Gewalt beruht (z. B. schwierige Wetterverhältnisse, Streiks). Er stützt damit den von der Schienen-Control vertretenen Standpunkt.

Verfahren der Schienen-Control zu Entschädigungsbedingungen der Bahnunternehmen

Die Schienen-Control erließ im Rahmen der Prüfung der Entschädigungsbedingungen der Bahnunternehmen im Dezember 2010 eine Entscheidung; mit dieser wurden die meisten Gründe für das Verweigern der Verspätungsentschädigung für Einzeltickets aufgehoben. Die ÖBB-Personenverkehr AG erhob beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die Entscheidung und wendet sich insbesondere gegen die Anordnung, dass bei Fällen höherer Gewalt dem Fahrgast trotzdem eine Verspätungsentschädigung zu zahlen ist. Seit Jänner 2011 müssen österreichische Bahnunternehmen auch in diesen Fällen eine Entschädigung zahlen, was die Position der Fahrgäste in Österreich stärkt. Bahnfahrgäste erhielten im Jahr 2011 insgesamt rund 330.000 Euro an Entschädigungszahlungen bei Verspätungen.

Europäischer Gerichtshof klärt Rechtsfragen aus Verfahren der Schienen-Control

Die gesetzliche Grundlage der Fahrgastrechte ist eine EU-Verordnung. Die Rechtslage bezüglich der Befugnisse der Schienen-Control sowie einer möglichen Verpflichtung der Bahnen zur Entschädigungsleistung bei höherer Gewalt ist nicht klar und es gibt dazu noch keine Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Daher hat der Verwaltungsgerichtshof diesem ein Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt. Zu klären ist, ob die Schienen-Control, als für die Durchsetzung der Fahrgastrechte benannte nationale Stelle, befugt ist, einem Bahnunternehmen den konkreten Inhalt der anzuwendenden Entschädigungsbedingungen verbindlich vorzuschreiben. Das nationale Gesetz sah zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schienen-Control lediglich die Möglichkeit vor, die Bedingungen für unwirksam zu erklären. Außerdem ist klarzustellen, ob Bahnunternehmen auch bei Verspätungen zahlen müssen, die durch höhere Gewalt wie starker Schneefall oder Gewitter verursacht werden.

Bahnreisende könnten europaweit verbindliche Rechtssicherheit erhalten

Der Generalanwalt, der die Richter des Europäischen Gerichtshofs in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt, hat am 14. März seinen Schlussantrag in diesem Rechtsstreit verkündet. Dieser stützt den von der Schienen-Control vertretenen Standpunkt, dass die Verspätungsentschädigung bei höherer Gewalt nicht ausgeschlossen werden darf. „Wenn der Europäische Gerichtshof dem Vorschlag des Generalanwalts folgt, haben die Bahnreisenden künftig einen noch umfassenderen Entschädigungsanspruch, der europaweit die Fahrgastrechte festigt", begrüßt Geschäftsführerin Mag. Maria-Theresia Röhsler, LL.M., MBA, die Meinung des Generalanwalts.

Den Standpunkt der Schienen-Control, dass sich die nationale Durchsetzungsstelle auch direkt auf die Fahrgastrechteverordnung berufen kann, teilt der EU-Generalanwalt nicht. Diesbezüglich wurden die Anordnungsbefugnisse der Schienen-Control im neuen Fahrgastrechtegesetz, das mit Juli 2013 in Kraft tritt, deutlich gestärkt.

Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Verfahren ist voraussichtlich Mitte 2013 zu rechnen.