Die Bahnbranche hat die neue Bundesregierung am Mittwoch in Berlin aufgefordert, stärker auf die Schiene zu setzen und die Investitionen in die Schieneninfrastruktur aufzustocken. Anders als in der Vergangenheit müsse das sicherste und umweltfreundlichste motorisierten Verkehrsmittel bei der Gestaltung eines zukunftsfesten Verkehrs eine herausgehobene Rolle spielen, heißt es in dem Positionspapier „Fahrplan Zukunft", das die Forderungen der Bahnbranche an die Bundesregierung bündelt. Höhere Marktanteile der Schiene im Güter- und Personenverkehr in anderen Ländern zeigten, dass in Deutschland das Potenzial der Eisenbahn bei weitem nicht ausgeschöpft sei, argumentiert der von der Allianz pro Schiene herausgegebene „Fahrplan Zukunft".

„90 Prozent der Deutschen sprechen sich seit langem dafür aus, Straßengütertransporte auf die Schiene zu verlagern und den öffentlichen Personenverkehr auszubauen", sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, am Mittwoch in Berlin. „Für die Zukunft fordern wir eine gesamthafte Verkehrspolitik und politische Ziele, die zu den Mobilitäts-Trends der Bürger passen: Wir halten eine Verdoppelung des Marktanteils der Schiene im Personenverkehr auf 15 Prozent und eine Steigerung im Güterverkehr auf 25 Prozent bis zum Jahr 2020 für machbar", sagte Flege und nannte als weiteres Ziel eine nationale CO2-Minderung von mindestens 25 Prozent für den gesamten Verkehrssektor. Eine Eisenbahnpolitik, die nachhaltig mit Zielen hinterlegt sei, brauche als Rückgrat mehr Geld für Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. Für den Erhalt des Schienennetzes liege der Bedarf bei 3,5 Milliarden Euro Bundesmitteln pro Jahr. Mindestens weitere drei Milliarden Euro müssten vom Bund jährlich für den Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur bereitgestellt werden, sagte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. „Der Gesamtbedarf des deutschen Schienennetzes liegt damit bei 6,5 Milliarden Euro."

Michael Clausecker, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bombardier Deutschland und Präsident des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. begrüßt zwar, dass der Eisenbahnsektor am Ende der vergangenen Legislaturperiode mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ein Übergangsmodell für eine umfassenden Reform des Zulassungswesens von Schienenfahrzeugen in Deutschland vereinbaren konnte. Die Neuregelung sieht insbesondere vor, dass seit Ende Juni 2013 erstmals in Deutschland auch private Organisationen Zulassungsvoraussetzungen von Bahntechnik in größerem Umfang prüfen dürfen. Clausecker betonte aber, dass zur weiteren Vereinfachung der Zulassung in einem nächsten Schritt eine umfassende Gesetzesänderung notwendig sei. Sie ist auch zwingende Voraussetzung, um die Zulassungspraxis in Deutschland mit EU-Recht vollständig in Einklang zu bringen. „Dieser Gesetzgebungsprozess muss nun vom Bundesverkehrsministerium mit großem Nachdruck verfolgt werden", forderte Clausecker. „Die jetzt geltende Übergangsregelung wird hoffentlich etwas Erleichterung bringen, darf aber nicht zum Dauerzustand werden."

Auch beim Thema Schienenlärm sei die Politik gefordert, erklärte Clausecker. „Damit wir die lärmmindernde Technik, die bereits vorhanden ist, anwenden können, muss der Bund sich stärker finanziell engagieren." Clausecker hält eine Förderung zur Umrüstung des Güterwagenbestandes für notwendig, um so Anreize zur lärmmindernden Modernisierung der Flotten zu schaffen. „Diese Förderung könnte im Rahmen des nationalen Lärmhalbierungszieles zeitlich befristet sein und würde die Akzeptanz des Schienenverkehrs in der Bevölkerung erheblich steigern", sagte Clausecker.

Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), verlangte von der frisch gewählten Bundesregierung, die Erfolgsgeschichte im Schienenpersonennahverkehr fortzusetzen. „Für die Regionalisierungsmittel brauchen wir eine Dynamisierung mindestens ausgehend vom Niveau des Jahres 2014 um jährlich 2,5 Prozent", sagte Wolff. Zudem sei es wichtig, die Verwendung der Mittel per Gesetz transparent zu machen. Auch bei der Finanzierung der Nahverkehrsinfrastruktur solle sich der Bund weiterhin in der Verantwortung sehen. „Dafür muss die Bundesregierung in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode eine Anschlussregelung bei den 2019 auslaufenden Entflechtungsmitteln für den Nahverkehr auf den Weg bringen", forderte der VDV-Hauptgeschäftsführer. Zugleich sprach sich Wolff dafür aus, das Bundesprogramm zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auch nach 2019 mit den Ländern fortzuführen.

Auch über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) muss nach Meinung des VDV zügig nach der Bundestagswahl entschieden werden: „Bei der EEG-Umlage ausgerechnet die klimafreundlichen Schienenbahnen zusätzlich belasten zu wollen, ist umweltpolitischer Unsinn. Denn das führt zu einer weiteren Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der Schiene und erschwert damit die allseits gewünschte Verkehrsverlagerung erheblich", so Wolff abschließend.