Finanzinvestoren engagieren sich in den vergangenen Jahren zunehmend im Transportbereich. Sie stehen aktuell vor einem erheblichen Investitionsdruck. Aber auch die strategischen Investoren haben gefüllte Kassen, was auf ein Anziehen des Transaktionsmarktes im Jahr 2012 hindeutet. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Diese zeigt, dass Fusionen und Übernahmen (M&A) im Transport- und Logistiksektor trotz aktueller Unsicherheiten von wachsender Bedeutung sind.

Transaktionsmarkt 2011: starker Auftakt, aber Einbruch der Volumina in der zweiten Hälfte

Bei nahezu gleicher Anzahl an Transaktionen im Jahr 2011 (964 gegenüber 999 im Jahr 2010) hat sich das durchschnittliche Transaktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr reduziert: von durchschnittlich 79 Mio. USD pro Transaktion im Jahr 2010 auf 54 Mio. USD in 2011. Insgesamt kam es weltweit zu Übernahmen von Transport-und Logistikunternehmen im Wert von 52,1 Mrd. USD.

2011 setzte sich dabei zunächst der positive Trend aus dem Jahr 2010 fort. In der ersten Jahreshälfte 2011 war sogar ein Anstieg der Transaktionsvolumina zu verzeichnen. Im zweiten Halbjahr 2011 brach das Transaktionsvolumen jedoch um fast 50 Prozent ein. Die Zahl der der abgeschlossenen Transaktionen stieg jedoch.

„Der konjunkturbedingte Einbruch des Transaktionsvolumens im zweiten Halbjahr 2011 zeigt deutlich die Unsicherheit und Zurückhaltung der Investoren im Zuge der Schuldenkrise in der Europäischen Union", so Dr. Steffen Wagner, Partner und Leiter der europäischen Transaktionsaktivitäten von KPMG im Transport- und Logistiksektor. Gab es in der ersten Hälfte noch große strategische Transaktionen, konnte man in der zweiten Hälfte besonders kleinere Transaktionen und Notverkäufe (sog. „distressed M&A") beobachten.

Erheblicher Einbruch in Nordamerika, Anstieg in EMEA

Der Einbruch der Transaktionsvolumina im Transport- und Logistiksektor 2011 war vor allem in den Regionen Asien-Pazifik (APAC) und Nordamerika zu verzeichnen. In Nordamerika stieg die Anzahl der Transaktionen im Jahr 2011 zwar, das gesamte Volumen sank jedoch auf 4,7 Mrd. USD . 2010 hatte das Volumen noch 45 Mrd. USD betragen. In APAC brachen sowohl die Anzahl als auch die Volumina der Transaktionen drastisch ein (von insgesamt 18,2 Mrd. USD 2010 auf 10,1 Mrd. USD 2011). In Lateinamerika stieg das Transaktionsvolumen im Jahr 2011 überproportional von insgesamt 2,9 Mrd. USD 2010 auf 7,1 Mrd. USD im Jahr 2011. Das Transaktionsvolumen in EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika) kletterte ebenfalls: auf insgesamt 30,1 Mrd. USD im Vergleich zu 12,7 Mrd. USD im Jahr 2010 bei nahezu gleichbleibender Anzahl von Transaktionen (insgesamt 511 im Jahr 2011).

Begründet liegt dieser Anstieg in Europa nach Meinung von KPMG insbesondere im Spinoff der TNT Express Sparte im Wert von 7,2 Mrd. USD, in der Beteiligung des französischen Staatsfonds CDC (Caisse des Depots & Consignations) mit 26,3% an La Poste SA (Frankreich) im Wert von 2,1 Mrd. USD, sowie in dem Verkauf eines 38-Prozent-Anteils des Brüsseler Flughafens an einen kanadischen Pensionsfond (Ontario Teachers Pension Plan) im Wert von 1,7 Mrd. USD.

Bewertungsniveaus im Transport- und Logistiksektor trotzen der Krise

Aus der KPMG-Analyse wird ersichtlich, dass die Multiplikatoren der betrachteten Transaktionen (Verhältnis von Unternehmenswert zum Umsatz, EBIT oder EBITDA) während der vergangenen drei Jahre tendenziell gestiegen sind. Über alle Regionen und Segmente hinweg hat sich das Bewertungsniveau erhöht und befindet sich fast auf dem Level wie vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Dies verdeutlicht die Attraktivität des Transportsektors für Fusionen und Übernahmen.

Bei genauerer Betrachtung bestehen zwischen den einzelnen Regionen jedoch große Unterschiede: In EMEA sind die Bewertungsniveaus derzeit am höchsten. Ein Trend zu steigenden Bewertungsniveaus lässt sich auch für Nordamerika und etwas schwächer für APAC erkennen, während Lateinamerika sinkende Niveaus verzeichnet. In Nordamerika und EMEA lässt sich beobachten, dass sich 2011 im Vergleich zu 2010 die EBITDA- und EBIT-Multiplikatoren angenähert haben. Dies lässt erkennen, dass 2011 vermehrt Transaktionen stattgefunden haben, bei denen es sich um Unternehmen handelte, die einen sog. „Asset-Light Charakter" aufzuweisen haben.

Wachsender Appetit unter Finanzinvestoren auf den Transport- und Logistiksektor

Die KPMG-Analyse zeigt zudem einen wachsenden Appetit von Private-Equity-Häusern auf Unternehmen des Transport- und Logistiksektors. „Zwar galt die Transport- und Logistikbranche lange Zeit als unattraktiver Markt für Finanzinvestoren, da das Wachstum und die Margen vielen Investoren zu gering war", so KPMG-Partner Wagner. „Seit 2006 lässt sich hier jedoch ein verstärktes Engagement feststellen."

Gegen den allgemeinen Trend stieg das Transaktionsvolumen der Finanzinvestoren im Jahr 2011 weltweit sogar von insgesamt 13,6 Mrd. USD im Jahr 2010 auf 16,0 Mrd. USD an. Die Anzahl der Transaktionen sank allerdings leicht auf 154 (gegenüber 175 im Jahr 2010). Auch hier war zum Jahresbeginn 2011 ein ähnliches Niveau wie 2010 zu verzeichnen, das in der zweiten Hälfte 2011 stark einbrach.

Ausblick 2012: Gefüllte Kassen trotz aktueller Unsicherheiten

2012 ist bisher noch von großer Unsicherheit und verhaltenen M&A-Aktivitäten geprägt, so die KPMG-Analyse. Ob der Markt nach den Turbulenzen an den Finanzmärkten wieder anzieht, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab, meint Steffen Wagner: „Im Fokus stehen die grundlegende ökonomischen Entwicklung, der Investitionsdruck der Finanzinvestoren und der M&A-Appetit auf Seiten der strategischen Investoren."

Der erste Faktor hängt wesentlich von einer Lösung der europäischen Schuldenkrise ab. Sollte sich die Situation hier nicht verschlechtern, könnte die Konjunktur bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 anziehen. Der Investitionsdruck der Finanzinvestoren ist nach dem insgesamt enttäuschenden Jahr 2011 sehr hoch, allerdings ist die Finanzierungssituation für viele Private Equity-Häuser derzeit weiterhin schwierig.

Eine Möglichkeit den M&A-Appetit von Transport- und Logistikunternehmen zu bewerten ist die Betrachtung ihrer Verschuldungskapazitäten, die momentan höher sind als in den Jahren davor. „Insbesondere Unternehmen aus den Segmenten Logistik sowie Post & Express haben derzeit gefüllte Kassen und stehen bei einem Anziehen der Konjunktur für strategische Übernahmen bereit", so der Leiter des europäischen Transport- und Logistikgeschäftes von KPMG. Sollte die europäische Schuldenkrise nicht weiter eskalieren, ist deshalb mit einem Anstieg der Transkationen im Transport- und Logistiksektor spätestens ab der zweiten Hälfte 2012 zu rechnen.